Religionswissenschaften

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Aufklärung und Religion

Die Reformation löste in den von ihr betroffenen Gebieten Mittel-, West-, und Nordeuropas neue theologische und politische Debatten aus, an denen sich große Bevölkerungsteile beteiligten. Die aus der Reformation hervorgegangenen Konfessionen grenzten sich gegeneinander ab, distanzierten sich aber auch gemeinsam von der Wissenschaftstradition der Scholastik. In Syllogismen über die Folgen von Definitionen nachzudenken und gestützt auf Autoritäten, besonders Aristoteles, zu argumentieren, wurde zum Zeichen einer mittelalterlichen Wissenschaftlichkeit. Traditionsbrüche legitimierten sich anfangs fast durchweg als Versuche, zum Urchristentum zurückzukehren oder die gegenwärtige Religionsausübung danach zu reformieren. Das Individuum wurde in diesen Debatten persönlich angesprochen und zur Stellungnahme aufgefordert. Da die Obrigkeiten die konfessionelle Bindung der Bevölkerung nicht allein bestimmen konnten und Gebietsgrenzen sich später veränderten, entstanden konfessionelle Minderheiten. Die Frage ihrer Loyalität gegenüber dem Staat und der Religion, die er privilegierte, wurde juristisch und staatstheoretisch interessant.

In lutherischen Gebieten übernahm der jeweilige Landesherr die Leitung der Landeskirchen. Die Reformierte Kirche betonte die grundsätzliche Gleichheit aller Gläubigen und baute neue kirchliche Strukturen auf, teils im Einvernehmen mit der Obrigkeit (so etwa in Genf oder Schottland), teils in Opposition zur katholischen oder lutherischen Herrschaft.

Im zunehmend absolutistisch regierten Frankreich eskalierte der Konflikt zwischen dem katholischen Königshaus und der calvinistischen Minderheit, den Hugenotten, in den Religionskriegen des 16. Jahrhunderts. Nach der Aufkündigung des Ediktes von Nantes 1685 kam es zu einer Massenauswanderung der Hugenotten.

In England trennte der König die Church of England zunächst aus politisch-dynastischen Motiven von Rom. Die theologische Reformation unter calvinistischen Vorzeichen folgte. Daher behielt diese Kirche trotz evangelischer Lehre einige katholische Formen und Riten bei. Der König hatte als ihr Oberhaupt einen besonders starken Einfluss auf deren Ausrichtung. Freikirchliche und reformierte Kreise gerieten deshalb in Konflikt mit Landeskirche und Staat zugleich und wurden verfolgt. Daraufhin wanderten viele Angehörige dieser religiösen Minderheiten nach Nordamerika aus. 1641/42 begann der englische Bürgerkrieg, der 1649 mit der ersten Hinrichtung eines Königs - Karl I. - endete. Mit dem Commonwealth of England folgte eine Militärdiktatur, an deren Ende das Parlament die Monarchie wiederherstellte.

Im Kontext dieser politischen Ereignisse fand die zentrale philosophisch-politische Debatte um das zukünftige Verhältnis zwischen Parlament, von ihm ausgehender Regierung, König, Kirche und Bürger statt. Die staatspolitischen Vorschläge von Thomas Hobbes 1651 und John Locke 1688/1689 wurden Meilensteine der Aufklärungsdiskussion. Die Problemlösungen wurden zuletzt nicht mehr in der Theologie, sondern der Philosophie und der von ihr inspirierten Rechtsdiskussion entschieden. Die Theologie verlor auch in den Niederlanden an Macht, wo man sich auf die Liberalisierung einließ, und in Frankreich, wo die Krone als bestimmende Instanz gewann.

Im christlich-orthodoxen Kulturraum Osteuropas dagegen wurde die Aufklärung zunächst vorwiegend vom Adel rezipiert.



Aufklärung - Die philosophische Kontroverse

Die Kontroversen um die Auslegungen der Bibel bereicherten die philosophischen Debatten des 17. und 18. Jahrhunderts – vor allem in den Niederlanden, wo der Pluralismus konkurrierender Auslegungen auf engstem Raum gedieh. Die neuen theologischen Positionen warfen samt und sonders erkenntnistheoretische Fragen auf: Wie beweist man religiöse Positionen? Worauf kann sich das Individuum bei seiner persönlichen Antwort auf eine theologische Frage berufen? Detailfragen boten den Naturwissenschaften interessante Prämissen. Calvinisten und Lutheranern entzweiten sich mit Blick auf die Determination und die Frage des Freien Willens: Hatte Gott zu Beginn der Schöpfung als allmächtiger Gott den gesamten Lauf des Universums festgelegt, dann bestand theoretisch für das Individuum kein Raum etwas zu denken oder zu entscheiden, was Gott nicht schon eben so festgelegt hatte. In der modernen naturwissenschaftlichen Forschung ist Determination eine interessante Prämisse: Gott könnte tatsächlich der Welt Naturgesetze gegeben haben, nach denen alle weiteren Geschehnisse zwangsläufig aufeinander folgen. Die Forschung kann sich dem Projekt widmen, diese Gesetze zu erfassen. Mit dem Zweifel der Antitrinitarier an der Dreifaltigkeit Gottes ging es – wieder philosophisch betrachtet – um mehr: um die Frage nach einem universellen Gottesbild auf das sich eventuell alle Religionen einigen könnten, um die Möglichkeit eines Deismus, einer Vorstellung eines Gottes, die diesem keine menschlichen Züge mehr gibt, ihn eher philosophisch definiert.

Mit der Vielzahl der Strömungen und den Kontroversen der Reformation endete im 17. Jahrhundert zunehmend die Hoffnung, eine einzelne Konfession als die wahre Religion erweisen zu können. Skeptizismus rechtfertigte sich heimlich in Untergrundschriften mit Blick auf die Vielzahl der Positionen. Baruch de Spinoza vertrat in seinem theologisch-politischen Traktat von 1670 die These, Judentum und Christentum seien lediglich vergängliche Phänomene ohne absolute Gültigkeit. John Toland behauptete 1696, die Bibel sei zum Teil eine menschliche Fälschung. In radikalen Schriften des Untergrunds diffamierten Autoren direkt oder indirekt Moses, Jesus und Mohammed als die drei „großen Betrüger der Menschheitsgeschichte“. Von der Zirkulation eines Buches De tribus impostoribus wurde berichtet, bis es schließlich 1716 als subversive Schrift auf den Markt kam. Gegenpositionen vertraten die als Bischöfe kirchlich gebundenen Philosophen Joseph Butler und George Berkeley.

Die zentralen Positionen, die im Laufe des 17. Jahrhunderts von „aufgeklärten“ Philosophen gegen Alleingültigkeitsansprüche einzelner Religionen in Anschlag gebracht werden, befinden sich in der theologischen Kontroverse: In der Reformation begegneten sich die Konfessionen wechselseitig mit Betrugsvorwürfen. Mit Blick auf außereuropäische Religionen teilten die Konfessionen die Anschauung, dass hier Religionen und Kulte auf dem Betrug von Priesterkasten basierten. Autoren wie Pierre Daniel Huet, katholischer Bischof von Avranches, stehen für die Aufklärung in der religiösen Debatte mit Versuchen, die Kulte der Antike zu enträtseln und dem modernen aufgeklärten Leser verständlicher zu machen, wie sie funktionierten. Dass man in diesen Kulten hermetische Lehren vertrat, sollte sicherstellen, dass Priester ihr Wissen (oder ihren Betrug) nur in Initiations­riten weitergaben. Auf Priesterbetrug seien viele der Kulte gegründet gewesen, die nach der Sintflut eingerichtet wurden, um die Bevölkerung unwissend und in Ehrfurcht zu halten – so der aufklärerische, den Betrug entlarvende Gedanke.

Im späten 17. Jahrhundert wendet sich die um aufgeklärte Diskussionen ringende neue theologische Debatte unter der Hand gegen das Christentum als schlicht auf dem Glauben basierender Religion. Die Diskussion, dass das Christentum selbst Traditionen verhaftet ist und auf antiken Kulten fußt, bereitet sich in einer neuen Kirchengeschichtlichen Forschung vor. Die neue Auseinandersetzung mit Religion führt im 18. Jahrhundert zu zunehmend freien Konkurrenzprojekten: Zum philosophischen Deismus als Vernunftoption, zur Gründung von Geheimgesellschaften, die neue Zeremonien ausgestalten und sich dabei Vergangenheiten in antiken Kulten geben. Der Markt ketzerischer Positionen erzeugte einen fruchtbaren Grund, auf dem die Grenzen tolerierten Nachdenkens kreativ und subversiv ausgeweitet wurden. Europa öffnete sich im selben Moment der Geschichte als fremdem Raum genauso wie der außereuropäischen kulturellen Vielfalt. Antike Kulte wurden nicht nur in ihren geheimen Grundlagen entlarvt, sie wurden im selben Moment rekonstruiert. Die Geschichte der Häresien wurde am Ende von Gottfried Arnolds ab 1699 in einer revolutionären Unparteyischen Kirchen- und Ketzer-Historie neu beleuchtet. Seltene Sekten und exotische Religionen gewannen ein Liebhaberinteresse, das von der zunehmenden Relativierung aller Standpunkte lebte. Reisende, die die Niederlande besuchten, sahen bei den interessantesten Sekten vorbei, in der Hoffnung curieuse Besonderheiten in Riten geboten zu erhalten. Reisende die in den 1770ern den Pazifik und Nordamerika kennenlernten, begannen hier nach interessanten Glaubensvorstellungen zu suchen.



Aufklärung - Philosophie - Deismus

Für die Philosophen, die sich im 18. Jahrhundert als Aufklärer in die Diskussion um religiöse Vielfalt und Toleranz mischten, wurde der Gedanke bestimmend, dass es in allen Religionen und Konfessionen einen rationalen Kern des Glaubens gäbe. In Form des sich ausbreitenden Deismus als Vernunftreligion wurde diese Option im 18. Jahrhundert mit zunehmender Offenheit diskutiert. In Verbindung damit ergab sich die Zusatzoption einer Gotteserkenntnis aus den modernen Wissenschaften heraus. Diese, so hieß es nun, setzen Gott als Schöpfer voraus und bestätigen seine Weisheit in den Naturgesetzen. Von der Welt als „Uhrwerk“ wurde hier in einer beliebten Metapher gesprochen, die Gott aus dem aktuellen Weltgeschehen heraus drängt und damit Berichte von Wundern diskreditiert: Die deistische naturwissenschaftliche Option ist, dass Gott die Welt mit allen Naturgesetzen geschaffen habe und nun ihrer gesetzlichen Bewegung überlasse. Neben das Bild von Gott als handelndem Gegenüber traten abstraktere Bilder von Gott als Prinzip und von Gott als nicht mehr in die Welt eingreifender, sie den Menschen überlassender Instanz.

Die gesamte Diskussion ist im Rückblick eng gebunden an eine Diskussion der Scholastik – und erwies sich gerade deshalb als Diskussion, der das Christentum kaum kritisch begegnen konnte. Definierte man Gott über die Idee seiner Vollkommenheit, so konnte man aus dieser Idee beweisen, dass es ihn geben musste: Nur ein existierender Gott sei vollkommen. Die Idee, dass die von Gott geschaffene Welt perfekt sein müsse, entfaltete sich als neues attraktives Argument in dieser Debatte im späten 17. Jahrhundert: Sie findet sich bei Anthony Ashley-Cooper, dem 3. Earl of Shaftesbury verknüpft mit dem Gedanken, dass alle Lebewesen in der Natur in perfekt organisierten Gleichgewichten zusammenleben. Gottfried Wilhelm Leibniz verband das Postulat in seinen Essais de théodicée' mit Folgepostulaten wie demjenigen, dass es unendlich viele bewohnte Welten geben müsse: Die Welt auf der wir leben sei offenkundig nicht vollkommen, im Universum müsse es darum weitere bewohnte Welten geben, die gemeinsam das perfekte Universum Gottes bildeten. Shaftesbury verteidigte demgegenüber die bestehende Welt als perfekt und postulierte, dass dem Menschen letztlich lediglich das Wissen und die Perspektive fehle, diese Perfektion zu erkennen. Man erfasse sie in der Regel allenfalls mit einer Ahnung, die einem ein Gefühl für die Harmonie der Schöpfung gebe. Mit der Theodizee-Debatte verband sich im Lauf des 18. Jahrhunderts die spezifisch aufklärerische Fortschrittsdebatte um die Idee, die Welt erreiche erst im komplizierten Prozess der Aufklärung die Vollkommenheit, die Gott ermöglichte. Konkret wurde die Diskussion mit dem Erdbeben von Lissabon 1755, als Voltaire ein pessimistisches Gedicht über die Katastrophe von Lissabon verfasste und Rousseau ihn in einem Brief darauf hinwies, dass die Schäden nicht der Natur, sondern der Lebensweise des Menschen und seiner Art, eine Stadt zu bauen, anzulasten seien. Weder die Welt noch der Mensch seien von Natur aus böse.

Der Deismus geriet in der Zeit der Romantik in den Verruf, eine kalte rationale Konstruktion zu sein, die dem Menschen keine religiöse Heimat geben könne. Er führte auf der anderen Seite im 19. Jahrhundert zu Versuchen, Religion gänzlich zu ersetzen, wie sie vor allem im Materialismus und im Positivismus im 19. Jahrhundert hervortreten.
Quelle: Wikipedia


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Thomas B. Reichert
progressiver Religionswissenschaftler
 

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